Produkte von Menschen mit Behinderung

Blindenwerkstätten in Deutschland



Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung Schwierigkeiten haben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden, haben in Deutschland die Möglichkeit zur Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM). Diese Organisationen dienen sowohl der Rehabilitation als auch der Integration von Menschen mit Behinderung. Dabei gibt es auch sogenannte Blindenwerkstätten, welche speziell Blinde und stark sehbehinderte Personen beschäftigen.


Blindenwerkstätten - Definition, Aufgabe und Gesetzgebung

Unter Blindenwerkstätten versteht man Betriebe, in welchen ausschließlich Blindenwaren von blinden Menschen hergestellt werden. Personen ohne Sehbehinderung werden dabei nur mit Hilfs- und Nebenarbeiten beschäftigt.

Blindenwerkstätten lassen sich allgemein in zwei Kategorien unterteilen. Zum einen gibt es die nach dem Blindenvertriebsgesetz (BliwaG) staatlich anerkannten Blindenwerkstätten. Neben solchen Werkstätten, in denen ausschließlich Blinde beschäftigt werden, gibt es aber auch staatlich anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM), die unter anderem auch eine Beschäftigung von blinden Menschen anbieten.

In Deutschland gibt es über 700 Werkstätten mit circa 280.000 Beschäftigten. Davon sind, nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit vom 27. Mai 2020, deutschlandweit nur 69 Werkstätten als Blindenwerkstätten innerhalb der WfbM vertreten. Diese befinden sich in nahezu allen Bundesländern. Die meisten dieser Werkstätten, 9 an der Zahl, befinden sich in Nordrhein-Westfalen. Sachsen und Niedersachsen verfügen jeweils über 8. Im Gegensatz dazu gibt es in Bremen gar keine.

Zusätzlich gibt es in Deutschland 31 staatlich anerkannte Blindenwerkstätten nach dem Blindenvertriebsgesetz. Davon befinden sich jeweils 6 Blindenwerkstätten in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Sachsen-Anhalt, Bremen, Schleswig-Holstein und Hessen verfügen über keine Blindenwerkstatt nach dem BliwaG. 

Das Blindenwarenvertriebsgesetz galt im Zeitraum vom April 1965 bis September 2007 in Deutschland und stellte eine rechtliche Grundlage zum Vertrieb und der Herstellung sogenannter Blindenwaren her. Im Rahmen des Gesetzes wurde daher auch der Begriff der Blindenwaren sowie das gesetzliche Verständnis von Blinden selbst, genau definiert.

"Blindenwaren" sind demnach Waren, deren wesentlicher Herstellungsprozess auf die Arbeit von Blinden zurückzuführen ist. Als blind gelten dabei bereits Personen, dessen geringe Sehschärfe es ihnen nicht ermöglicht, sich selbstständig ohne fremde Hilfe in einer unbekannten Umgebung zurechtzufinden.

Die ursprüngliche Funktion des BliwaG war die Steigerung des Absatzes der von blinden Menschen hergestellten Waren. Zudem sollte ihre Arbeitstätigkeit gefördert werden. Durch die Kennzeichnung von Blindenwaren mit einem Symbol, welches zur Sonne streckende Hände zeigt, sollte außerdem die falsche Kennzeichnung bzw. die missbräuchliche Verwendung der Bezeichnung der Blindenwaren zur Anregung von Hilfsbereitschaft unterbunden werden.

Die Abschaffung des Gesetzes im Jahr 2007 wurde durch den geringen Nutzen begründet. So sei die Gesetzgebung zum Erreichen der entsprechenden Ziele nicht mehr notwendig.

Die aktuell gültige Gesetzgebung bezieht sich auf das Sozialgesetzbuch (SGB IX )zur Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Dabei beinhalten die §§ 219 bis 227 Regelungen zu Werkstätten für behinderte Menschen. Im § 219 werden diesbezüglich Begrifflichkeiten und Aufgaben einer Werkstatt für behinderte Menschen definiert. Diese gelten allerdings für Werkstätten allgemein und und sind nicht näher auf spezielle Blindenwerkstätten spezifiziert. Lediglich § 226 bezieht sich ausschließlich auf Blindenwerkstätten.


Aufnahmeprozess und Arbeit in einer Blindenwerkstatt

Anspruch auf einen Platz in einer Behindertenwerkstatt haben Personen mit unterschiedlichen Handicaps. Die Aufnahme erfolgt unabhängig von Ursache, Art und Schwere der Behinderung. Dabei sind die Werkstätten verpflichtet, jeden Menschen mit Behinderung innerhalb des Einzugsgebiets einen Arbeitsplatz anzubieten. Zur Aufnahme in einer Blindenwerkstatt muss eine entsprechende Beeinträchtigung der Sehfähigkeit vorliegen. Als Nachweis muss immer eine Bescheinigung der Erwerbsminderung oder Erwerbsunfähigkeit vorgelegt werden.

Gleichzeitig müssen Bewerber gewisse Anforderungen erfüllen. So darf kein außerordentlicher Pflegebedarf der Person vorliegen. Zwar erfolgt die Arbeit in den Werkstätten ohne Leistungsdruck, dennoch müssen die Beschäftigten ein "Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeit" vorweisen. 

Interessenten für einen Platz können sich zunächst bei den Reha-Teams der Agenturen für Arbeit melden. Diese Service-Stellen verfügen über speziell geschulte Beratungskräfte, welche rund um die Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Berufsleben informieren.

Bei der Aufnahme in einer Behindertenwerkstatt durchlaufen Bewerber zunächst das Eingangsverfahren (EV). Mit seiner Dauer von circa 3 Monaten bietet es die Möglichkeit eines ersten Einblickes in den Arbeitsablauf in der Werkstatt. Individuelle Stärken und Schwächen können festgehalten werden, sodass anhand der Kompetenzen individuell ein Eingliederungsplan erstellt wird. Insgesamt wird die Eignung für die Arbeit in einer WfbM erörtert und zukünftige Ziele im Bezug auf Fördermaßnahmen festgehalten.

Anschließend folgt der Berufsbildungsbereich (BBB). Der Berufsbildungsbereich ist in einen Grund- und einen Aufbaukurs unterteilt, welche jeweils eine maximale Dauer von einem Jahr haben. In diesen Kursen werden den Beschäftigten lebenspraktische Fertigkeiten und soziale Kompetenzen vermittelt. Zudem wird auch eine Steigerung des Selbstwertgefühles und der individuellen Fähigkeiten angestrebt. 

Nach Durchlaufen des BBB kann in den Arbeitsbereich (AB) gewechselt werden. In der Werkstatt haben Beschäftigte die Möglichkeit einer, ihrer Leistungsfähigkeit entsprechenden Arbeit, nachzugehen. Ihr Beschäftigungsverhältnis ist unbefristet. 


Bundesverband staatlich anerkannter Blindenwerkstätten e. V.

Der Bundesverband staatlich anerkannter Blindenwerkstätten e. V. (BsaB) ist korporatives Mitglied des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e. V. und hat seinen Sitz in Berlin. Der BsaB bildet eine bundesweite Vertretung für staatlich anerkannte Blindenwerkstätten sowie deren Zusammenschlüsse. Der Bundesverband vertritt aktuell 26 Mitgliedsbetriebe. 

Der Verband wurde bereits 1949 gegründet und 1955 unter „Verband für das Blindenhandwerk“ im Vereinsregister amtlich eingetragen. 1976 wurde der Name in „Verband für das Blindenhandwerk und für Blindenwerkstätten e. V.“ geändert. Eine weitere Namensänderung wurde schließlich 2007 mit Außerkrafttreten des Blindenwarenvertriebgesetzes vorgenommen. Im Rahmen dessen wurden auch Ziel, Zweck und Aufgabe des BsaB neu definiert.

Demnach erhalten Betriebe, die dem Bundesverband staatlich anerkannter Blindenwerkstätten e. V. angehören, vielseitige Förderung und Unterstützung, verpflichten sich allerdings auch zu gewissen Standards. 

So bietet der Bundesverband seinen Mitgliedsbetrieben sowohl fachliche, rechtliche als auch wirtschaftliche Beratung an. Der Verband strebt die technische und betriebswirtschaftliche Weiterentwicklung, mit dem Ziel einer einheitlichen Berufsbildung, an. Dazu werden unterschiedliche Fachkurse und Fortbildungsveranstaltungen angeboten. Allerdings fungiert der Bundesverband auch allgemein als Interessenvertretung von Blindenwerkstätten bzw. deren Mitarbeitern gegenüber Organisationen, Behörden, Verbänden und der Politik.

Im Gegenzug verpflichten sich die Mitgliedsbetriebe zur weiterführenden Beachtung und Einhaltung der Gesetzgebung und Durchführungsbestimmungen des Blindenwarenvertriebgesetzes, auch wenn dieses offiziell keine Gültigkeit mehr hat. Damit sollen vor allem auch der Herstellungsprozess und die Qualität der handgemachten Produkte gesichert werden. Mitglieder sollen sich zur Qualitätssicherung einer freiwilligen Selbstkontrolle unterziehen. 


Finanzierung von Blindenwerkstätten

Blindenwerkstätten und Werkstätten für behinderte Menschen im Allgemeinen verfügen über einen Träger, welcher die Werkstatt finanziell unterhält. Blindenwerkstätten haben durch den Erlös, welcher durch den Verkauf von Blindenwaren erzielt wird, ein zusätzliches Einkommen. Oftmals sind Blindenwerkstätten aber auch auf Spenden und sonstige Zuwendungen angewiesen, da der Erlös nicht immer die Produktionskosten decken kann. 

Neben den Produktionskosten werden Werkstätten auch durch Abgabezahlungen, die Entgeltzahlungen der Mitarbeiter und Kosten für Fortbildungen finanziell belastet.


Blindenwaren - Herstellung und Qualität der Produkte

In Blindenwerkstätten werden handwerklich perfekt hergestellte Produkte von besonders guter Qualität angefertigt. Die Produktvielfalt der sozialen Manufakturen erstreckt sich dabei von Besen und Bürsten über Korb-, Web-, Strick- und Seilwaren bis hin zu Wäscheklammern und Kerzen.

Produkte von staatlich anerkannten Einrichtungen werden dabei durch ein spezielles Symbol gekennzeichnet.

Die Qualität der weitgehend manuell hergestellten Produkte ist vor allem durch die Verwendung hochwertiger Materialien zu begründen. So werden beispielsweise Wischer, Handfeger, Schrubber, Stubenbesen, Gartenbesen, Artikel für den Malerbedarf, Reinigungsbürsten und Staubwedel aus reinen Naturmaterialien hergestellt. So stammt das Holz zum Schutz der Umwelt aus nachhaltiger Forstwirtschaft in Deutschland. Das Material der Borsten variiert dabei je nach Anwendungsgebiet. Für Stuben- und Handfeger sowie Tapezierbürsten wird Rosshaar verwendet. Dieses stammt von den Mähnen- und Schweifhaaren von Pferden. Materialien wie Kokos, Fibre und Arenga werden hingegen aus Pflanzenfasern gewonnen. Aber auch Perlon wird aufgrund seiner Eigenschaften als Kunstfaser eingesetzt. Im Gegensatz zu den vorher genannten Naturmaterialien wird dieses künstlich aus dem Polymer Polycaprolactam hergestellt.

Korbwaren werden durch ausgebildete Korbmacher produziert. Das Anfertigen verschiedenster Körbe wie Einkaufs-, Wäsche- oder Papierkörbe erlernen sie in ihrer mehrjährigen Ausbildung. Auch bei der Qualität der Korbwaren wird auf hochwertige Materialien gesetzt.

Webwaren werden entsprechend des Blindenwarenvertriebgesetzes an alten Greifer- oder Handwebstühlen gefertigt. Typische Produkte sind beispielsweise Wolldecken, Handtücher und Frottierware.

Damit vergleichbar ist die Herstellung von Strickwaren. Dazu zählen Sneackersocken und Feinstricksocken. Diese werden, ebenso wie alle Webwaren, aus hochwertigem Garn, welches aus Deutschland oder den EU-Ländern stammt, hergestellt.

Im Seilerhandwerk werden verschieden farbige und starke Seile angefertigt. Diese können beispielsweise für Springseile und Schwungseile eingesetzt werden. Seilwaren verfügen über gute Qualität und Wertigkeit und bieten somit ein hohes Maß an Verlässlichkeit und Haltbarkeit. Zudem sind sie vielfältig einsetzbar.

Auch Wäscheklammern werden in Blindenwerkstätten gefertigt. Diese können sowohl aus Holz als auch aus Kunststoff bestehen. Aber auch verschiedene Kerzen werden hergestellt.

Insgesamt bieten Blindenwerkstätten ein großes Angebot nachhaltig produzierter Produkte. Zudem sind alle, der per Hand hergestellten Blindenwaren Unikate. Durch den Kauf solcher Waren werden die Werkstätten und ihre Mitarbeiter unterstützt. Blinden Personen wird somit die Möglichkeit einer Ausbildung und einer bezahlten Beschäftigung gegeben, welche sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht hätten.

Zudem können Blindenwaren ein außergewöhnliches Geschenk darstellen, welches nicht überall zu kaufen ist.

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